Schmidt mit seinen Träumen vom Gefesseltsein ist bedrückend. Ein Mensch, der Nähe gefesselt antörnend findet, ist mir jenseits der Narkose zuwider. Und auch da war mir jegliche Fixierung ohne ununterbrochenes Feedback unheimlich. Und fixieren tust da ja weniger äußerlich als per Relaxans. Den Glauben, dass jegliche Erregung eindeutig an vegetativen Reaktionen messbar und ontop zu covern ist, habe ich längst nicht mehr, auch nicht dass Stimmfärbungsveränderungen wie das plötzliche Belegtwerden der Stimme oder der schärfere Atem sofort wahrnehmbar sind. Ich würde auch einer ausbleibenden EEG-Veränderung nicht trauen. Rechtzeitig zu erkennen, ob und wann eine Stimmung kippt, ist zumindest für mich Utopie. Wann ist jemand tatsächlich gläsern? Ein KommKommGeh mit irgendeiner Begrenzung zu verknüpfen ist Folter. Und jemanden, der diese Art Folter anstrebt, kann ich genausowenig ernst nehmen wie irgendeinen Bungee-Springer, der hofft, dass jemand da ist, der ihn auffängt, falls das Seil reißt. Freiheit, wahre Freiheit, ist interaktionsarm, mit der Maßgabe, dass der, den die Interaktion erreichen soll, sie ununterbrochen selbst steuern kann. Dabei ist jeder Handlungsvorschlag bereits invasiv. Huchja, Interviewen ... Franz X. Gernstls Come & See mit seiner eigenen unmittelbaren Präsenz vor Ort geht mir bereits zu weit. Selbst mit der eigenen Telefonstimme modulierst du Reaktionen. Suggestionsfreie Dokumentation ... Ob es das überhaupt gibt? Wie viel Spannung lässt sich aus einer Begegnung herausnehmen, wenn es dann trotzdem noch eine Begegnung sein soll? Anja hat das Fliege-Interview zwar etwas entschärft, aber ob ich es deshalb irgendwann mal online nehmen kann, bezweifle ich. Das Tempo, das aus der Spannung resultiert, aus einer Interaktion herauszunehmen, fällt mir genauso schwer wie Achterbahn-Fahren an sich. Ich bin meist eher zufällig dabei und erlebe Outburn und Streit mehr oder weniger staunend mit, in der Illusion, dass zum Streit immer zwei gehören, er also nicht zustandekommen kann, wenn ich lange genug zuwarte. Dabei kann bereits ein etwas zu hastig gefragtes BistDuGlücklich eine Lawine auslösen. Wie deeskaliere ich ohne einzugreifen? Wer gibt mir das Recht zu deeskalieren, nur weil ich beschreiben will? Bin schon wieder zu nah am Wetter, trotz Solarium.
OK, es mag für mein übersteigertes Selbstbewusstsein sprechen, aber ich würde am liebsten Regionalänästhesie bei der Patientin unter 4. einsetzen. Dann reißen sich alle am ehesten zusammen und machen keine Urgent-Emergent-Hektik. It´s Showtime. Es sei denn, sie will nicht dabei sein, während sie gerettet wird. Die Regionale beschleunigt die Blutung zwar, aber ich hätte kontinuierlich Kontakt zu ihr. Und der wäre mir mehr wert als das PTBS-Risiko. Sie soll jeden Moment überwachen können. Es muss eben nachbereitet werden. Ich würde ihr erzählen, was "wir" vorhaben und fragen, an welcher Stelle sie in welcher Form abschalten mag, und sie bitten im jeweiligen Moment zu sagen, wenn sich ihre Meinung ändert, damit ich situativ eingreifen kann. das ist zwar personalaufwendiger, aber atraumatischer. Allerdings setzt das voraus, dass das Team Hypnose-Anwendung toleriert.
"Alles, was sich bewegt, lass ich sofort überwachen", spielt Veit Berthold grad ein.
Bei mir wäre der Zeitpunkt für das Abschalten das Einsetzen der 37er Krone. Vorher will ich dabei sein. Aber beim Einsetzen will ich einen nasotrachealen Tubus. Und den toleriere ich nur in Narkose. Aber das Abrutschen der Krone ist für mich ein Albtraum. Das will ich verschlafen.
OK, vernünftiger wäre natürlich die Vollnarkose bei der rupturierten Placenta praevia. Ich habe nur geträumt. Die Regionale dauert zu lange und beamt sie per se in den haemorrhagischen Schock, sagt wahrscheinlich der Staatsanwalt. Andererseits ist mir ein wacher Patient lieber, weil ich dann eher das subjektive Feedback von ihm habe und nicht nur auf das Katastrophen-Mäusekino auf dem Bildschirm angewiesen bin. Verdammt, wie viel Zeit bleibt bei Plazentaruptur? Lässt sich das im Einzelfall vorhersagen? Und wie dokumentierst du die Prognose? Je länger ich drüber nachdenke, umso unumgänglicher erscheint mir die Vollnarkose mit nachbereitendem Gespräch. Aber im Sinne der Selbstbestimmtheit des Patienten ist sie scheiße.
Gottseidank bin ich weit genug weg. Haemorrhagischen Schock hypnotisch begleiten zu können muss galaktisch sein. OK, es ist Größenwahn, ich weiß. Ich träume.
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