Montag, 4. Februar 2013

Es gibt nur wenige Menschen, denen ich stunden- oder gar tagelang bei dem, was sie tun, zuschauen mag. Zuzuhören fällt mir leichter. Aber zuzuschauen ist schon extrem intim. Jedenfalls für mich. Sie kellnert seit einiger Zeit. Ihre Bewegungen sind seitdem kontrollierter. Mit Choreografie. Sogar beim Träumen. Ihr zuzuschauen ist wie heimkehren. Auszuwählen tut ihr gut, bei aller Neugier. Eine Neugier, die ich eher mit Essen und Trinken verbinde als mit dem, was Willi als reale Kontakte einordnet. Radio sei kein realer Kontakt, sagt er. Er hat eben nie Radio gemacht. Bei meiner ersten Sendung rief Vater im Studio an. Enrico stellte ihn sofort durch und öffnete gleichzeitig das Mikro. Es war das letzte Mal, dass er anrief, aber auch das letzte Mal, dass er zuhörte. Ihm genügte zu wissen, wo ich grad war. Mehr brauchte er nicht. Dann war er schon wieder in Gedanken. Auf die Idee ihn dabei zu beobachten bin ich selten gekommen. Nur bei Knoblauchsuppe. Da genoss er jeden Handgriff: das Zerhacken des Knoblauchs auf dem Holzbrett, das Hinunterstreifen der Scheiben vom Holzbrett ins brodelnde Wasser, das Reiben der juckenden Nase beim Stieben des Pfeffers und das Öffnen der klebrigen Hand, um das Salz über die auf den Weiten des Tellers träge dahintreibenden Brotbrocken und die blasig schmelzende Butter rieseln zu lassen.
Nein, ich habe mich immer noch nicht an die Narbe unter dem linken Auge gewöhnt und ich sehne mich nach zwei Monaten narbenbedingter Pause nach dem Solarium.

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